Ende 2024 reisten Chiara Zimmermann, Projektleitung der Tierarztmobile und Hof Huppenhardt und Lisa Höller, ehemalige Mitarbeiterin in der Projektleitung und Öffentlichkeitsarbeit des ETN e.V., nach Serbien und Bulgarien. Dort besuchten sie die ansässigen Partner des ETN und andere Tierschutzeinrichtungen. Sie erhielten nicht nur Einblicke in die Zustände in städtischen Tierheimen, sondern erlebten aus erster Hand, wie die Arbeit vor Ort aussieht. Ihre Reise führte sie nach Belgrad, Sremska Mitrovica über Šabac und Zaječar bis nach Plowdiw.
Die erste Station der Reise war das Shelter Zoovita in der Hauptstadt Serbiens. Das außerhalb der Stadt auf einem Feld gelegene Shelter nahe der Donau wird seit 20 Jahren von einem engagierten Ehepaar geführt. Ca. 150 Hunde und 40 Katzen leben momentan dort. Ein Teil der Hunde lebt in Gruppen in großen Zwingern, einige dürfen sich frei auf dem Grundstück bewegen. Isolierte Hundehütten bieten Schutz vor Witterungseinflüssen.
Das Paar ist bemüht die Tiere zu vermitteln, meist innerhalb Serbiens. Außerdem wird sich bemüht, den Tieren auf dem durch Bäume beschatteten Gelände eine sichere und möglichst artgerechte Umgebung zu bieten. Finanziert wird das Shelter durch den Buchladen der Eigentümer sowie private Spenden. Auch über die sozialen Medien (Instagram und Facebook) werden Unterstützung und Reichweite gewonnen.
Ebenfalls in Belgrad, in einer kleinen Siedlung, befindet sich das Kastrationszentrum Centar za mešance, welches bereits seit rund 20 Jahren vom ETN bei der Kastration von Straßentieren unterstützt wird. Das teilweise zur Praxis umfunktionierte Wohnhaus bietet zudem einer kleinen Gruppe von alten und kranken Streunern ein dauerhaftes ein Zuhause. Derzeit leben dort etwa 16 Hunde und sieben Katzen. Mindestens fünf der Hunde haben ein Alter von über 15 Jahren erreicht. Die Mitarbeitenden sind bemüht, die jüngeren Tiere zu vermitteln.
Da das Zentrum in der Stadt bekannt ist, werden die Straßentiere meist von Privatpersonen für die Kastration vorbeigebracht. Das Haus verfügt über sechs Boxen, in denen sich die Streuner nach der Kastration für etwa zehn Tage erholen können. Mehrmals am Tag dürfen sie im eingezäunten Hinterhof des Hauses miteinander spielen. Neben den Streunern kastriert das Zentrum auch Besitzerhunde. Pro Monat werden etwa 20 bis 25 Kastrationen von Straßentieren im Auftrag des ETN durchgeführt. Meist sind es insgesamt (inklusive Besitzerhunden) zwischen 75 und 95 Kastrationen monatlich.



Weiter ging es nach Sremska Mitrovica, ebenfalls Serbien. Das Shelter des österreichischen Vereins „Hunde wollen leben“ eV beherbergt derzeit etwa 250 Hunde und wird von vier Angestellten betreut. Es handelt sich um ein Tierheim, das sich vor allem auf die Vermittlung der Hunde ins Ausland konzentriert, darunter auch Listenhunde.
Der Verein arbeitet derzeit daran möglichst alle Hunde auf die vereinseigene Website zu stellen. Langfristig soll die Anzahl der Hunde, die im Shelter untergebracht sind, reduziert werden.
Neben der großen Anzahl gibt es weitere Herausforderungen, denen sich das Team stellen muss, wie etwa einige übergewichtige Hunde oder die Gruppierung.
Kleine Gruppen von circa fünf Tieren teilen sich derzeit jeweils einen großen Auslauf, in den kleineren Zwingern sind es weniger Tiere. Die Gruppen werden regelmäßig gewechselt, damit alle genug Auslauf erhalten. Seit kurzem werden die Hunde zusätzlich auf Spaziergänge mitgenommen.
In Šabac, Serbien, kämpft Vesna Teodorovic mit dem Verein „Volonteri Prihvatilista za pse” an vielen Fronten für mehr Tierschutz. Sie engagiert sich auf vielen Ebenen: neben der Rettung und Versorgung von Straßenhunden ist auch die Öffentlichkeitsarbeit wichtiger Bestandteil. Diese leistet sie insbesondere über die Sozialen Medien, aber auch z.B. mit Plakatkampagnen. Auch über die digitalen Plattformen wird Unterstützung mobilisiert sowie die Vermittlung der Tiere des Vereins angekurbelt.
Im Sinne von Bildungs- und Aufklärungsarbeit Besucht Vesna Teodorovic auch Schulen, um Kinder für den respektvollen Umgang mit Tieren zu sensibilisieren und spricht mit Anwohnern über Kastrationen.
Auch auf politischer Ebene engagiert sie sich, um grundlegende Verbesserungen für die Tiere der Region zu erzielen. Daraus entstanden u. a. Hundehütten in Parkanlagen und die Aufhebung des Fütterungsverbots für Straßenhunde. Vesna Teodorovics Arbeit findet regelmäßig Aufmerksamkeit in der Presse und im Fernsehen. Sie wird bei verschiedenen Vorfällen, wie der Aufklärung von Fällen von Tierquälerei oder bei Fahndungen mit der Polizei, medienwirksam begleitet.
In ihrem privatem Shelter beherbergt sie aktuell etwa 70 Hunde und 10 Katzen. Das Shelter befindet sich auf einem eigenen, ruhig gelegenen Gelände mit nur wenigen Nachbarn. Ziel ist es, die Anzahl der Hunde durch Vermittlungen auf etwa 35 zu reduzieren.
Darüber hinaus dient das Shelter als Rettungsstätte für Hunde, die aus dem städtischen Tierheim geholt werden, wenn sie dort keine Überlebenschancen hätten (etwa weil sie Beeinträchtigungen haben und besondere Aufmerksamkeit benötigen). Alle Hunde im Shelter sind kastriert, gechippt und geimpft.
Das Shelter ist aus einfachen Mitteln gebaut, erfüllt jedoch die grundlegenden Bedürfnisse der Tiere. Vesna Teodorovic besitzt mit ihrem Mann ein Kleidungsgeschäft und sichert so die Finanzierung, für größere Projekte sind sie allerdings auf Unterstützung angewiesen.



Das städtische Tierheim in Šabac wird von Vesna Teodorovic und ihrem Verein ebenfalls unterstützt. Momentan beherbergt das Heim etwa 150 Hunde; vermittelt werden die Tiere – abgesehen von jenen, die von Vesna Teodorovic aufgenommen werden. In den vergangenen Jahren hat sich im städtischen Tierheim dank des Einsatzes von Vesna einiges zum Positiven verändert. So gibt es mittlerweile eine Handvoll Freiwillige, die sich liebevoll um die Hunde kümmern und mit ihnen Gassi gehen.
Ein großer Fortschritt ist außerdem, dass Vesna nun uneingeschränkten Zugriff auf alle Hunde hat und keine Tiere mehr eingeschläfert werden – auch nicht jene, die als aggressiv gelten.
Der Verein BETA Zaječar setzt seinen Schwerpunkt auf die Kastration von Straßenhunden, um die Population nachhaltig zu kontrollieren. Pro Woche werden etwa zehn Kastrationen durchgeführt, von einer ansässigen Tierärztin die rund um die Uhr erreichbar ist. Aus Kostengründen werden fast ausschließlich Hündinnen kastriert, während die Welpen vorerst auf der Straße bleiben müssen. Neben der Kastrationsarbeit vermittelt der Verein Hunde vor allem nach Deutschland und England. Diese Vermittlungen ermöglichen es, einigen Tieren ein neues Zuhause zu bieten und gleichzeitig die Situation auf den Straßen zu verbessern. Zudem betreibt BETA eine private Notfall-Auffangstation, in der behinderte und kranke Hunde dauerhaft leben dürfen. Einen Brennpunkt stellen in Zaječar insbesondere die Sinti- und Roma-Angehörigen dar, da diese sich oft weigern, ihre Hunde zu kastrieren. Auch in der allgemeinen (christlichen) Bevölkerung herrscht nicht selten die Überzeugung, dass eine Kastration etwas Unnatürliches sei. Dies erschwert den Tierschützer:innen die Arbeit.
Beta arbeitet außerdem daran die schwierigen Bedingungen des städtischen Tierheims zu Verbessern. So arbeitet seit kurzem ein Mitglied des Vereins vor Ort und sorgt dafür, dass die Hunde auch regelmäßige Spaziergänge genommen werden und generell die Lebensqualität erhöht. Die Infrastruktur bleibt jedoch weiterhin ein Problem, welches angegangen werden muss. Neben den finanziellen Herausforderungen gibt es auch logistische, denn das Heim ist sehr schlecht zu erreichen. Die schlechte Zufahrtstraße erschwert auch die grundsätzliche Versorgung, doch der engagierte Einsatz von Beta ist ein erster Schritt in die richtige Richtung und zeigt dass Veränderungen möglich sind.
Die letzte Station der Projektreise war das Kastrationszentrum in Plovdiv. Das Zentrum wird betrieben von der Streunerhilfe Bulgarien und konzentriert sich auf die nachhaltige Kontrolle der Streunerkatzen im Stadtgebiet. Das Zentrum kastriert ausschließlich Streuner und erreicht dabei eine Zahl von rund 200 Kastrationen pro Monat. Die überwiegende Mehrheit nehmen hierbei Katzen ein, doch hin und wieder werden auch Straßenhunde in die Praxis gebracht. Das Einfangen der Katzen erfolgt täglich mithilfe von Netzen oder Lebendfallen. Dabei arbeiten zwei Tierärzte sowie eine weitere fest angestellte Mitarbeiterin im Zentrum, unterstützt von ehrenamtlichen Helfern, die sich vor allem um das Einfangen der Tiere kümmern. Nach der Kastration bleiben die Tiere in der Regel einen weiteren Tag im Zentrum, bevor sie wieder an der Fangstelle freigelassen werden. Mittlerweile gibt es feste Orte in Plowdiw, die die Mitarbeitenden des Kastrationszentrums in Abständen von ein bis zwei Jahren anfahren und dort die gesamte Population innerhalb weniger Tage kastrieren. Dennoch wachsen die Populationen an den verschiedenen Fangorten durch ausgesetzte Katzen stetig.
Der Besuch des ETN in Serbien und Bulgarien zeigt ein zweiseitiges Bild. Auf der einen Seite die erfolgreichen Projekte, die durch die Gelder des Vereins ermöglicht wurden, auf der anderen Seite das weiterhin große Tierleid auf den Straßen und in städtischen Tierheimen. Gerade der Besuch dort machte noch einmal deutlich, mit welch schwierigen Bedingungen Mensch und Tier zu kämpfen haben – insbesondere die Problematik von zu vielen Hunden auf zu wenig Raum. Die harte Realität in vielen Tielen Osteuropas. Engagierte Tierschützer:innen vor Ort versuchen diesen Umständen entgegenzuwirken. Durch ihre Öffentlichkeitsarbeit generieren sie Aufmerksamkeit, mobilisieren Unterstützung und klären in der Bevölkerung über nachhaltigen Tierschutz auf. Eine wichtige und notwendige Arbeit in Anbetracht der Blindheit der Behörden gegenüber den Straßentieren.
Der ETN dankt allen engagierten Tierschützer:innen vor Ort für ihre umfangreiche Arbeit und wird die neu gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um in Zukunft gezielt weiterhin vielversprechende Projekte in der Region zu unterstützen.



