Erste Hilfe für die Vögel
Erste Hilfe bei Fensterschlag (und bei Straßenverkehrsopfern)
Was ist geschehen? Ein lauter Schlag gegen das Fenster und schon liegt liegt draußen auf dem Boden ein benommener Vogel.
Und jetzt? Lassen Sie ihn nicht dort liegen, solange er nicht wieder Herr über seine Sinne und Gliedmaßen ist! Nachbars Katze ist sonst schneller und dann hätte der Vogel definitiv keine Chance.
Begutachten Sie in Ruhe kurz den verunglückten Vogel:
- Sitzt er auf beiden Beinen, ist aber aufmerksam?
- Ist er benommen und hält die Augen geschlossen?
- Liegt er auf dem Bauch oder auf der Seite?
- Blutet er aus Schnabel oder Nase?
- Fällt er immer wieder um oder dreht sich im Kreis?
- Hängt ein Flügel oder steht einer ab?
- Sind die Augen blutunterlaufen, geschwollen oder zeichnet sich eine Schwellung am Kopf ab?
- Stehen die Schabelhälften schief oder ist der Schnabel gar abgebrochen?
- Der Vogel bläht sich wie ein Ballon auf?
Nr. 2-9 sind dringende Notfälle und bedürfen professioneller Hilfe!
Ein Fensterschlag ist zunächst immer als akuter Notfall zu betrachten!
Unterbringung des gefiederten Patienten
Behausung
Nehmen Sie den Vogel vorsichtig auf, vielleicht mit einem Handtuch, und setzen Sie ihn in ein Behältnis. Das kann ein Karton sein, den Sie mit Luftlöchern versehen haben, der Wäschekorb, über dem Sie ein dünnes Handtuch befestigen oder eine Kleintier/Katzentransportbox, wenn Sie so etwas besitzen. Legen Sie vorher ein altes Handtuch rein, damit der Vogel auf der glatten Oberfläche gut stehen kann.
Wenn Sie eine Kunststoffbox benutzen: bitte niemals den Deckel draufmachen und die Box damit abdichten. Der Vogel erstickt darin! Legen Sie ein Handtuch über die offene Box und befestigen es mit einem Gummiband oder mit Wäscheklammern am Rand.
Setzen Sie den Wildvogel nie in einen Käfig, die offenen Seiten rundherum ängstigen ihn, weil er sich nicht verstecken kann. Zudem werden die Gitterstäbe ganz schnell sein Gefieder ruinieren, sollte er im Käfig herumflattern.
Bitte die Behausung nicht draußen stehen lassen. Besonders in der kalten Jahreszeit würde der Vogel zu viel Körperenergie durch die Kälte verlieren. Beutegreifer können das Tier beunruhigen oder gar aus schlecht gesicherten Behältnissen herausfangen und töten. Stellen Sie den Vogel in einen ruhigen, abgedunkelten Raum, wo er zur Ruhe kommen kann.
Versorgung:
Reichen Sie kein Futter und kein Wasser! Dem Vogel brummt mindestens der Schädel und ihm steht nicht der Sinn nach Nahrungsaufnahme. Da er vermutlich neurologische Störungen hat, kann er selbst in einem Marmeladenglasdeckel mit Wasser ertrinken! Zwingen Sie kein Futter oder Wasser in den Schnabel! Hier droht Erstickungsgefahr. Zwangsfütterung ist etwas für Profis und in diesem Fall völlig kontraproduktiv. Selbst wenn der Vogel sehr mager und geschwächt sein sollte, kann eine plötzliche, unsachgemäße Nahrungsaufnahme tödlich enden, da die Verdauungsorgane erst langsam wieder aktiviert werden müssen. Dafür gibt es Spezialnahrung und Infusionen, die nur in Profihände gehören.
Handling:
Nur wenn der Vogel nach wenigen Momenten wieder fit wird und davonfliegen kann, ist soweit alles in Ordnung.
Wenn der Vogel benommen war, aber stehen konnte, schauen Sie nach 1-2 Std. nach, ob er sich soweit erholt hat. Macht er einen munteren und fitten Eindruck, können Sie ihn draußen wieder freilassen. Sollte er beim Versuch, davonzufliegen nicht richtig abheben können, müssen Sie ihn sofort wieder einfangen. Hier gibt es den Verdacht einer Fraktur im Schultergürtelbereich, die man äußerlich nur selten sehen kann.
Liegt der Vogel auf dem Bauch? Beobachten Sie, ob er versucht seine Beine zu benutzen. Scheinen die Beine leblos, muss das schnellstens per Röntgenaufnahme abgeklärt werden. Selbst eine infauste Querschnittslähmung ist extrem schmerzhaft für das Tier und gehört in Tierarzthände!
Liegt der Vogel oder fällt immer wieder um, setzt man ihn in ein Handtuchnest. Dazu rollt man ein altes Handtuch zu einer Wurst und verbindet beide Enden mit einem Haushaltsgummi oder Schnur. In die Nestmitte kann man den Vogel legen, so ist er abgestützt.
Sollte der Vogel sich drehen oder toben und nicht im Nest liegen bleiben, polstert man die Behausung mit Handtüchern gut aus. Auf jeden Fall abdunkeln, damit der Vogel zur Ruhe kommt.
Achten Sie darauf, dass der Vogel nicht auf dem Rücken liegt. In dieser Lage bekommt er per se schlecht Luft und eventuell auftretende Lungenblutungen durch die Rückenlage ersticken ihn.
Durch den Aufprall und durch eventuelle Hirnblutungen ist die Funktion der Nerven gestört, daher kann der Vogel sich nicht koordiniert bewegen. Ein Tierarzt kann versuchen, mit entsprechenden Medikamenten dagegenzuwirken. Oft bewirken solche Injektionen wahre Wunder.
Flügel oder Bein gebrochen?
Der Flügel hängt oder steht in einem Winkel ab, das Bein wird nicht belastet oder befindet sich nicht in seiner natürlichen Haltung: da muss man von einer Fraktur, Luxation oder Ruptur ausgehen. Versuchen Sie niemals, den Vogel selber zu verbinden! Als Laie sind Sie nicht in der Anatomie des Vogels und den daraus resultierenden unterschiedlichen fachgerechten Verbandsmöglichkeiten geschult! Alles andere ist eher Tierquälerei. In seinem Behältnis wird der Vogel in Schonlage gehen und sich so wenig wie möglich belasten.
Warten Sie nicht tagelang ab und verweigern dem Vogel die tierärztliche Behandlung. Schnell reagiert kann das dem Vogel die Gesundheit, das Leben und somit die Freiheit retten! Schon nach wenigen Tagen versucht der Körper, die gebrochenen Knochen zu reparieren. Wenn die nicht richtig geschient sind, wachsen sie ggf. schief zusammen und der Vogel ist nie mehr auswilderungsfähig.
Verletzungen am Kopf
Durch den Aufprall ist oft der Kopf in Mitleidenschaft gezogen. Schnell erkennt man, ob der Schnabel nicht mehr so aussieht wie er sollte. Blut aus Nase oder Schnabel können auf eine Schnabelverletzung, einen Schädelbruch oder eine Lungenblutung hindeuten. Den Vogel wie oben beschrieben im Handtuchnest lagern.
Manchmal werden durch Hämatome am Kopf die Augen etwas herausgedrückt und wirken dann wie "Glotzaugen". Oft bekommt der Vogel diese dann kaum noch geöffnet. Manche Vögel haben blutunterlaufene Augen, da sind Gefäße durch den Aufprall geplatzt. Im schlimmsten Fall hat es einen Netzhautriss gegeben, der zur Erblindung führen kann.
Durch einen Riss in einem Luftsack aufgrund des Traumas kann ein Vogel sich aufblähen. Die Atemluft entweicht aus den im Körper liegenden Luftsäcken in den Körper. An der Haut geht es nicht weiter und so bläht diese sich wie ein Ballon auf. Das ist schmerzhaft und muss vom Tierarzt behandelt werden. Ein Luftsackriss gilt als innere ernstzunehmende Verletzung.
Fazit:
Die vorhergehend beschriebenen Verletzungen, also die akuten Notfälle sind immer Tierarztsache. Dort wird mit entsprechenden Medikamenten dem Vogel die Schmerzen genommen, mit Infusionen Schwellungen und Einblutungen behandeln, Verbände fachgerecht angelegt und beurteilt, ob eine Heilung und Auswilderung möglich ist.
Fragen Sie vorher in der Praxis, ob sie sich mit dem Patient Wildvogel auskennt und genügend Erfahrungen damit haben. Falls nicht, können Sie in den Tierheimen nach Adressen fragen, auch Vogelpflegestellen können Ihnen entsprechende Tierärzte empfehlen.
Informationen über gelistete Vogelpflegestellen bekommen Sie über Ihr Veterinäramt, über die Tierheime und über entsprechende Internetseiten (www.wildvogelhilfe.org) oder über Facebook, z.B. die Seite Wildvogelhilfe Notfälle.
Zu guter letzt: Warum so viele ernste Ermahnungen?
In einer Auffangstation erlebt man vieles. Viele Vögel hätten gerettet werden können, wenn der Finder/die Finderin richtig reagiert und die Not des Tieres ernst genommen hätte. Da bekommen wir Vögel, die schon einige Zeit nach ihrem Unfall beim Finder im Käfig hockten, aber der hängende Flügel ist nie untersucht und behandelt wurde. Die Knochen waren oft schon irreparabel falsch zusammengewachsen.
Da werden uns Vögel in die Hände gedrückt, deren gebrochene Knochen mit Streichhölzern und Leukoplast derart dilettantisch zusammengekleistert waren, dass das Tier dadurch wahnsinnige Schmerzen erlitten haben musste. Verbandmaterial mit Klebstoff hat im Vogelgefieder nichts zu suchen!
Benommene oder verletzte Vögel werden zuhause gehortet, frei nach dem Motto: das wird schon wieder. Den Kindern möchte man den ach so niedlichen Vogelpatienten als Lehrstück vorführen. Das arme Tier bekommt leider keine angemessene tierärztliche Notfallversorgung und oft wird das falsche Futter vorgesetzt.
Wir konnten dann in vielen Fällen nur noch einschläfern lassen, weil es deswegen nichts mehr zu retten gab.
Da wird gedroht, den Vogel selber zu töten, weil er ja verletzt ist. Das ist strafbar, das darf nur ein fachlich ausgebildeter Mensch wie der Tierarzt. Zudem ein Laie nicht beurteilen kann, ob der Vogel trotz seiner Verletzung eine Überlebens- und Auswilderungschance hat.
Wildtiere- und Vögel sind keine Tiere zweiter Klasse! Sie sind gemäß §44 BNatSchG streng geschützt und dürfen, wenn sie in Notlage geraten, nur fachgerecht in entsprechenden Stellen versorgt werden.
Nehmen Sie die Not Ihres verletzten Vogels ernst, auch wenn es „nur“ ein Spätzchen, eine Taube oder Amsel ist. Der Vogel empfindet genauso viel Leid wie Ihr geliebtes Haustier oder Sie selber! Er hat wie Sie nur dieses eine Leben!
Danke im Namen aller Vögel und der Mitarbeiter*innen aller Auffangstationen